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Vertreter
Makler
Jonas Abdulaziz @SYNERKI
20. Januar 2025
Der Finanzvertrieb in Deutschland (und darüber hinaus) hat in den letzten Jahrzehnten einen rasanten Wandel durchlebt. Dabei standen – und stehen – vor allem zwei Rollen im Mittelpunkt: Vertreter und Makler. Während viele Kunden auf den ersten Blick keinen großen Unterschied zwischen beiden erkennen, hat die Rolle, die ein Vermittler einnimmt, entscheidenden Einfluss darauf, wie sie oder er beraten und vergütet wird. Dieser Artikel beleuchtet den historischen Hintergrund dieser beiden Vermittlertypen, zeigt den aktuellen Status quo und wagt einen Ausblick auf die Zukunft des Finanzvertriebs.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE _
Vertreter sind an bestimmte Produktanbieter gebunden, Makler agieren unabhängig am Markt
Digitalisierung und neue Tools verändern beide Geschäftsmodelle grundlegend
Beratungsqualität und Spezialisierung werden wichtiger als die klassische Rollenverteilung
Hybride Vertriebsformen und neue Vergütungsmodelle prägen die Branchenzukunft
1. Historische Entwicklung
Anfänge des klassischen Vertreters:
Der Vertreter (oft auch Agent oder Handelsvertreter genannt) war lange Zeit die dominierende Kraft im Finanzvertrieb. Ursprünglich arbeiteten Versicherungs- und Finanzvertreter fest oder halbselbstständig für ein Unternehmen, das ihnen alle relevanten Produkte und Konditionen vorgab. Die Kunden hatten in der Regel wenig Vergleichsmöglichkeiten, da sie häufig nur einen Anbieter kannten. Zudem war das Informationsangebot über finanzielle Produkte begrenzt. Dadurch entstand ein starker Vertrauensvorschuss: Vertreter waren über Jahre oder gar Jahrzehnte als direkte Ansprechpartner geschätzt.
Erste Makler und unabhängige Beratung:
Die Rolle des Maklers gewann vor allem in den 80er- und 90er-Jahren an Bedeutung, als Kunden begannen, mehr Wert auf unabhängige Marktvergleiche und faire Konditionen zu legen. Anders als ein Vertreter, der an eine Gesellschaft gebunden ist, kann ein Makler aus einem größeren Pool an Produkten und Anbietern das beste Angebot für seine Kunden auswählen – zumindest in der Theorie. Auch rechtlich ist der Makler nicht dem Versicherer verpflichtet, sondern rechtlich gesehen dem Kunden: Der Maklervertrag unterstreicht diese Ausrichtung.

Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr freie Maklerbüros, die sich oft durch ein breites Portfolio an Lösungen auszeichneten. Gleichzeitig war es, vor allem in der Anfangsphase, gar nicht so leicht, auch wirklich alle Anbieter im Portfolio zu haben.
2. Unterschiede im heutigen Marktumfeld
Produktbindung vs. Produktvielfalt:
Im Kern besteht bei Vertretern bis heute eine mehr oder weniger starke Produktbindung. Wer als Ausschließlichkeitsvertreter für eine bestimmte Versicherung oder Bank arbeitet, hat zwar oft ein umfangreiches Portfolio, ist aber an den jeweiligen Anbieter gebunden. Makler hingegen können (zumindest theoretisch) den gesamten Markt sondieren und für ihre Kunden Lösungen auswählen.

Vertreter
• Distribution von hauseigenen oder ausgewählten Produkten
• Optimale Produktkenntnis des jeweiligen Unternehmens
• Starke Unterstützung bei Marketing und Administration durch den Produktgeber

Makler
• Unabhängige Produktauswahl aus dem gesamten Markt
• Individuelle Verhandlungen und Konditionen möglich
• Bei vielen Anbietern gleichzeitig vertraglich angebunden
Rechtliche und organisatorische Aspekte:
Rein rechtlich betrachtet, trägt der Makler eine gewisse „Vermögenshaftung“ und ist dem Kunden in besonderem Maße verpflichtet. Ein Vertreter hingegen hat oft klar geregelte Haftungs- und Einarbeitungsstrukturen, die über den Produktpartner laufen. In der Praxis sollte sich der Kunde in beiden Modellen gut aufgehoben fühlen – Voraussetzung ist natürlich die Professionalität des jeweiligen Vermittlers.
Kundenperspektive im digitalen Zeitalter:
Wo früher klassische Terminabsprachen Augenhöhe und Vertrauen erzeugten, ist heute die digitale Welt hinzugekommen. Kunden informieren sich online, vergleichen Produkte über Vergleichsportale und sind kaum mehr bereit, sich auf ausschließlich ein Angebot zu verlassen. Makler haben hier den Vorteil, auf die Schnelle Produkte vergleichen zu können. Gleichzeitig haben auch die Vertreter-Gesellschaften nachgezogen und teilweise sehr attraktive Vergleichstools geschaffen, um am Puls der Zeit zu bleiben.
3. Zeitliche Komponente: Veränderungen des Marktes
Technologischer Fortschritt:
Vor wenigen Jahrzehnten waren Telefonate und persönliche Gespräche der Hauptvertriebsweg. Mittlerweile nehmen digitale Tools und Plattformen einen immer größeren Stellenwert ein. Dieser Wandel beeinflusst sowohl Vertreter als auch Makler:

• Vertreter profitieren von innovativen Underwriting-Tools ihrer Gesellschaft

• Makler greifen auf spezialisierte Vergleichs- und CRM-Systeme zu, die den Markt ständig aktualisieren

Damit einhergehend steigt die Transparenz für den Kunden und der Druck auf die Vermittler – denn falsche Beratung oder überteuerte Produkte lassen sich immer leichter entlarven.
Regulierung und Qualitätssicherung:
Auch der Gesetzgeber reagierte auf die fortschreitende Professionalisierung und wachsende Bedeutung des Finanzmarktes für private Haushalte. Mit unterschiedlichen Gesetzesinitiativen (z. B. IDD – Insurance Distribution Directive) wurde das Beratungsniveau angehoben. Sowohl Vertreter als auch Makler müssen Qualifikationsanforderungen erfüllen und Dokumentationspflichten beachten. Je stärker diese Regulierungen werden, desto wichtiger ist es für einen Vermittler, sich fortzubilden und stets auf dem neuesten Stand zu halten.
Kundenwunsch nach Individualität:
Die Menschen haben heute weniger Zeit und wollen schnell eine für sie passende Lösung finden. Standardangebote sind seltener gefragt, stattdessen suchen Kunden nach individualisierten Produkten. Makler können hier oft punkten, da sie über verschiedene Gesellschaften hinweg Tarife vergleichen. Doch auch Vertreter haben dazugelernt und bieten modular aufgebaute Konzepte, die auf den Kundenbedarf zugeschnitten sind.
4. Zukunftsperspektiven: Wohin geht die Reise?
Mehr digitale Prozesse, veränderte Rollenbilder:
Die Grenzen zwischen Vertreter- und Makler-Modell könnten in Zukunft weiter verschwimmen. Bereits heute findet man Vertreterunternehmen, die sich als „unabhängig“ positionieren, obwohl sie in Wahrheit fest an einen Produktgeber gebunden sind. Umgekehrt existieren Makler, die durch exklusive Kooperationen oder Pool-Anbindungen in ihrer Auswahl beschränkt sind. Der Trend geht dahin, dass die großen Player neue hybride Vertriebsformen entwickeln, die digitale Tools, Onlineberatung und persönlichen Service kombinieren.
Beratungsqualität und Spezialisierung im Fokus:
Ob Vertreter oder Makler – die Zukunft gehört jenen, die ihre Beratungskompetenz ausbauen und nachweisbar hochwertige Lösungen anbieten. Spezial-Know-how und die Fähigkeit, komplexe Produkte verständlich zu erklären, werden zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Wer außerdem eine starke digitale Präsenz aufbaut und sich als vertrauenswürdige Marke positioniert, kann vom wachsenden Bedürfnis vieler Kunden nach transparenter, professioneller Beratung profitieren.
Neue Vergütungsmodelle entstehen:
Mit dem steigenden Bedürfnis nach Qualität ist auch die Bereitschaft gewachsen, Honorar- oder Hybridmodelle anzunehmen. Neben den klassischen Provisionen findet man zunehmend Berater, die über Servicegebühren oder feste Beratungshonorare entlohnt werden. Gerade Makler experimentieren hier häufig mit flexiblen Ansätzen, da sie nicht an Tariftabellen eines einzelnen Produktgebers gebunden sind. Vertreter hingegen müssen sich oft an die Vorgaben ihres Unternehmens halten.
Fazit
Die Unterscheidung zwischen Vertreter und Makler war historisch betrachtet recht eindeutig: Auf der einen Seite der an einen Produktgeber gebundene Vertreter, auf der anderen Seite der unabhängige Makler. Mit der Zeit haben sich jedoch die Rollenbilder verändert und zunehmend überlagert. Digitale Tools, mehr Transparenz und steigende Kundenansprüche führen dazu, dass beide Modelle ihren Platz haben, aber jeweils mit eigenen Stärken und Herausforderungen konfrontiert sind.

Der Markt wird sich weiter diversifizieren: Digitale Vergleichsportale und Onlineabschlüsse setzen sowohl Vertreter als auch Makler unter Druck, ihre Leistungen neu zu definieren. Wer sich als Vermittler klar positioniert, auf Qualität setzt und technologiegestützt arbeitet, wird auch in einem Umfeld bestehen können, das immer anspruchsvoller wird. Die grundsätzliche Frage „Vertreter vs. Makler?“ wird sich in den kommenden Jahren stärker zu einer Frage nach Servicequalität, Kundenfokus und echter Beratungskompetenz wandeln. Und davon profitieren am Ende vor allem die Kunden – ganz gleich, ob sie sich für einen Vertreter oder einen Makler entscheiden.
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